Honoré de Balzac  Die Chouans

    Der junge Mann, von mittlerer Grösse, in einer blauen Uniform mit schwarzen Gamaschen der Schüler der École Polytechnique, stellte sich als Seemann, als Angehöriger der Marine vor. Mit einem Blick erkannte die junge Frau in ihm einen geborenen Adeligen. Von der älteren, Madame du Gua, die von ihm "Mama" genannt wurde, erfahren wir, dass sie sich in der Postkutsche befunden hatte; es waren also nicht, wie angenommen worden war, alle Insassen bei dem Überfall getötet worden. Vom ersten Anblick an war das Interesse des Seemannes an der schönen jungen Frau geweckt: diese schien ihrerseits mit einer recht koketten Toilette auf seine Avancen einzugehen. Doch seine ältere Begleiterin beobach- tete misstrauisch seine beginnende Zuneigung für die Frau, die angab, dass ihre Eltern auf dem Schafott gestorben seien und sie selbst das Gefängnis kennen- gelernt habe und von der nicht klar war, in welchem Verhältnis sie zur Republik stand. Dies steigerte die Neugier des jungen Seemannes noch, und er fühlte sich bereits durch heisses Verlangen zu ihr hingezogen. Es wurde der Vorschlag gemacht, dass sie alle die Reise gemeinsam fortsetzen könnten und dabei den Schutz der Regierungssoldaten geniessen würden.
    Dem misstrauischen Kommandanten Hulot kam der Seemann verdächtig vor, er zweifelte seine Identität an und drang darauf, dass er seine Papiere vorzeigte und ihm seinen Pass aushändigte, den dieser aus einer eleganten Brieftasche entnahm. Während dieser eingehenden Prüfung war der durchdringende Schrei eines Käuzchens zu vernehmen, der auch Hulot nicht entging und der ihm an- zeigte, dass Marche-à-terre sich in der Nähe aufhielt. Auf die Frage der Madame du Gua, für wen er ihren Sohn denn gehalten habe, antwortete er: für den Gars, den aus England geschickten Führer mit Namen Marquis de Montauran.

    Währenddessen sah sich Francine in der Umgebung des Gasthofs um, nach- dem auch sie die Anzeichen für die Anwesenheit Marche-à-terres bemerkt hatte, den sie von früher kannte, dessen Liebchen sie gewesen war. Sie entdeckte ihn in einer Scheune, wo er sich offenbar versteckt hielt, zusammen mit etwa dreissig Chouans, die sich im Stroh verbargen. Dort belauschte sie auch ein Gespräch bei einem heimlichen Treffen mit der Madame du Gua, bei dem diese ihm den Befehl gab, Mademoiselle de Verneuil zu töten. Francine, die ihn daraufhin zur Rede stellte, machte ihm Vorhaltungen, dass er sich sehr verändert habe und sie ihn nicht wiedererkenne.

    Die Fahrt der Reisegesellschaft in Richtung Fougères wurde mit einer Begleit- mannschaft unter dem Befehl eines Offiziers fortgesetzt. Unterwegs waren Marie, das war der Name der Madamoiselle de Verneuil, und der Marquis zeitweise aus der langsam fahrenden Kutsche ausgestiegen und gingen unter lebhaften Unter- haltungen nebeneinander her, und zwischen dem jungen Seemann, der schon lange in Liebe zu ihr entbrannt war, und der Mademoiselle entwickelte sich mehr und mehr eine Anziehung, obwohl sie ihm gegenüber misstrauisch blieb und seine Identität bezweifelte, ihn sogar verdächtigte, der geheimnisvolle Führer der Chouans zu sein. Der befehligende Offizier bedauerte bald, sechzig Mann für ausreichend gehalten zu haben, als ihnen in der Nähe von Pelerine, nahe der Stelle, an der auch schon das frühere Gefecht stattgefunden hatte, Aufständische auflauerten, sie konnten aber ohne Verluste abgewehrt werden. Im Augenblick der drohenden Gefahr drückte sich Marie eng an den Marquis und offenbarte damit einen Moment lang ihre bereits entbrannte Liebe zu dem jungen Mann.