Honoré de Balzac  Die Chouans

    Unterdessen hatte der Marquis de Montauran, der Gars, sich mit einer Schar von ungeduldigen Gefolgsleuten auseinanderzusetzen, die ihn mit Forderungen nach Gegenleistungen für ihre Königstreue, die sie im schlimsten Fall buchstäb- lich den Kopf kosten könnte, überhäuften, nach einer Belohnung für Dienste, die erst dann erbracht sein würden, wenn die Bourbonenherrschaft wiederhergestellt wäre. Balzac lässt hier einfliessen, wie sehr die Royalisten im Westen des Lan- des, einem Gebiet, das bis dahin von den revolutionären Kräften nicht wirklich kontrolliert wurde, sich in Verkennung der durch die Revolution neugeschaffenen Verhältnisse im Land Illusionen darüber machten, sie rückgängig machen zu können.

    Als der Graf de Bauvan, der wie versprochen für ihre Sicherheit garantiert, sie auf den Ball einführt, erregt sie nicht nur durch ihre blendende Erscheinung Aufsehen – sie ist, im Gegensatz zu den adeligen Damen, die nach der Mode des Ancien Régime gekleidet und mit gepuderten Perücken auftreten, nach der Pariser Mode, die die Körperformen betont, gekleidet – sondern insbesondere bei den Edelleuten, die sie von ihrer Demütigung in La Vivetière her wiedererkennen. Sie beginnt mit dem Marquis, der erneut von ihrer Erscheinung hingerissen ist, in dem Zwiespalt, welche Gefühle sie für ihn noch hat, und hin- und hergerissen zwischen ihrem Wunsch nach Rache und der Bereitschaft, ihm seinen Verrat zu verzeihen, ein Katz- und Maus-Spiel, das von Balzac so charakterisiert wird: "sie verlockte wie eine Hoffnung, sie entschlüpfte wie eine Erinnerung".

    Nachdem Marie dem Marquis, der ihr, von ihr wie besessen, an den Fersen hing, beharrlich ausgewichen war, verfiel dieser auf ein drastisches Mittel: um sie zu zwingen, sich ihm zuzuwenden, ergriff er mit der blossen Hand ein glühendes Kohlestück und hielt es umfasst. Dies mitanzusehen war für Marie unerträglich, und sie zwang ihn, indem sie die ganze Kraft ihrer Finger einsetzte, es fallen- zulassen, woraufhin sie die Hand mit ihrem Taschentuch verband. Diese Tat des Marquis hatte Eindruck auf sie gemacht, denn "in der Liebe ist nichts überzeu- gender als eine mutige Dummheit". Sie zeigte ihm ihrerseits den Dolch, den sie im Kleid versteckt hatte.

    Immer belauert von der Rivalin, Madame du Gua, die zweimal versucht hatte, Marie zu töten, kamen die beiden Liebenden überein, dass der Marquis sie sicher nach Fougères geleiten würde, und so bestiegen sie eine Kutsche, die sie bis zu den Anhöhen vor der Stadt brachte. Bevor sie sich von ihm trennte, machte sie ihm ein Geständnis: dass sie, die illegitime Tochter des Herzogs von Verneuil, in Paris tatsächlich ein ausschweifendes, freizügiges Leben als Kurtisane geführt habe, auch eine Heirat eingegangen sei, und dass sie einen Auftrag angenom- men habe, für dreihunderttausend Francs einen Unbekannten dahin zu bringen, sich in sie zu verlieben, um ihn dann an die Vertreter der Revolution auszuliefern. Mit der Versicherung, die Lasterhaftigkeit und die Schuld ihres Handelns einzu- sehen und ihn niemals zu verraten, setzte sie allein ihren Weg nach Fougères fort.