Honoré de Balzac  Die Chouans


    In dem Augenblick, als die Zeremonie begann, vernahm Marie ein Klirren von Gewehren; das bedeutete, dass vor dem Haus Soldaten Stellung bezogen. Dies war an dem Abend dem vorangegangen: nachdem er die Chouans entdeckt hatte, war Corentin zu Hulot geeilt, um ihn zum Handeln zu drängen, und als der Sohn Galope-chopines, der "Junge mit dem blutigen Fuss", die Ankunft des Gars meldete, gab der Kommandant den Befehl, zum Haus vorzurücken. Dieser Aufmarsch war es, den allein Marie wahrgenommen hatte.

    Das Diner wurde aufgetragen, bei dem Marie ihr glanzvolles Brautkleid trug, und anschliessend liess sie den Gästen Zimmer für die Nacht anweisen, da es zu gefährlich sei, die Stadt zu verlassen. Dann begaben sich die nun Vermählten in das Zimmer, das sie für die gemeinsame Nacht hergerichtet hatte, und "kamen endlich zu dem verhängnisvollen Bett, in dem wie in einem Grabe so viele Hoff- nungen zerbrechen, ...wo die Liebe stirbt oder entsteht..." Es war zwei Uhr, als Marie aufwachte, die Nacht war für sie vorbei: sechs Stunden würde sie noch zu leben haben. Sie sprang aus dem Bett und eilte zum Fenster; der Marquis folgte ihr erstaunt, sie zeigte ihm die etwa zwanzig in Stellung gegangenen Solaten und eröffnete ihm, dass dies auf ihre Anweisung hin geschehen war.

    An den Bemühungen, dem Marquis zur Flucht zu verhelfen und sein Leben zu retten, war auch Francine tatkräftig beteiligt; sie hatte den Schrei des Käuz- chens vernommen und wusste, dass Marche-à-terre zur Stelle war. Der Marquis wurde von den Frauen hastig in die Kleider eines Chouans gesteckt, zusammen- geknotete Laken waren vorbereitet, mit denen er sich von einem Dachfenster herablassen sollte. Als er, noch teilweise eingezwängt in der engen Fenster- öffnung, ein letztes Mal von Marie umarmt wurde, stellte er mit Entsetzen fest, dass sie seine Kleidung angezogen hatte: sie wollte für ihn in den Tod gehen.

    Das Feuer wurde eröffnet, und am Haus wurde eine in der Luft hängende Gestalt von mehreren Schüssen getroffen; währenddessen war ein Flüchtender, nachdem er wie ein Rasender drei Reihen von Soldaten durchbrochen hatte, von einem Wachposten mit dem Bajonett durchbohrt worden. Er lag nun, in männ- licher Kleidung, in der Wachstube auf einem Feldbett, und als der Kommandant dem blutigen Körper den Hut, der das Gesicht bedeckte, abnahm und das lange schwarze Haar Maries herabfiel, sank er auf einen Stuhl. Der Marquis, der durch Schüsse in Schenkel und Arme verletzt war, wurde auf einer aus mehreren Gewehren zusammengefügten Tragbahre ebenfalls hereingetragen und neben Marie abgesetzt, so dass er mit letzter Kraft ihre Hand ergreifen konnte. Die letzten Worte der Sterbenden: "Ein Tag ohne ein Morgen... Gott hat mich viel zu gut erhört"; wohingegen der Marquis als letzten Wunsch äusserte, dass sein Bruder in London benachrichtigt werde, und dass dieser nicht mehr die Waffen gegen Frankreich führen solle.

    Von seinem Gewährsmann habe er, so gibt Balzac an, über die weiteren Schicksale einiger der Chouans erfahren: dass im Jahre 1827 ein alter Mann, vormals Marche-à-terre, mit Vieh handelte; hingegen sei ein gewisser Cibot, genannt Pille-miche, nicht der Guillotine entgangen.