Als Feuilletonstoff und für Klatsch gibt die Geschichte etwas her, und so wird das Thema von der Runde
aufgegriffen und weiter ausgesponnen, es werden die berühmten Kurtisanen der Geschichte, die "Aspasia-Gestalten",
die Lydia, Delia, Lesbia, Cynthia usw. aufgezählt und die Dubarry und Ninon de Lenclos in Erinnerung gerufen.
Nach und nach wird über die Torpille Näheres enthüllt, dass ihr Name Esther ist und dass dieser
alttestamentarische Name nicht zufällig ist: sie ist Jüdin und die Tochter des reichen.Holländers
van Gobseck.
Aller Augen, insbesondere die der jungen, von Balzac wie greisenhaft wirkend beschriebenen jungen Leute, die
Lucien seine ausserordentliche Gunst neiden, heften sich auf ihn und seine maskierte Begleiterin, die in einem
langen schwar- zen Domino, der einem Leichentuch gleicht, der aber dennoch ihre weiblichen Formen und ihren sich in
den Hüften wiegenden Gang erkennen lässt, an seiner Seite her geht. Einer der Zeitungsleute, Bixiou, der
sich sicher ist, sie erkannt zu haben, ruft laut den Namen "Esther!", worauf sie erschrocken den Kopf wendet, um ihn
auf diese Bosheit hin gleich einer Sterbenden sinken zu lassen. Die Gruppe bricht in schallendes Gelächter aus
und stiebt daraufhin auseinander, nur der geheimnisvolle Unbekannte bleibt in der Nähe. Die Torpille sinkt wie
von einem Blitzschlag getroffen zu Boden, sie wird von Lucien, auf den sie sich stützen muss, fortgeführt.
Zurück bleibt der Maskierte, der, an Rastignac heran- tretend, seine Maske abnimmt, so dass dieser, nachdem er
ihn schon vorher an der Stimme wiedererkannt hatte, nun auch sein Gesicht sieht. Es ist das eines für ihn
völlig Fremden, da dieser abscheuliche Kerl es durch chirurgische Eingriffe hat verändern lassen –
die Gründe für diese Verwandlung werden später deutlich werden –, so dass Rastignac in ihm
nur noch die Augen des ehemaligen Mitbewohners aus dem Hause Vauquer wiedererkennt.
Balzac beschreibt ein Quartier abseits der grossen, abends in hellem Licht der Gaslampen erstrahlenden
Boulevards, das durchzogen ist von einem Gewirr enger, schmutziger Strassen, von dunklen Gassen und unheimlichen
Winkeln, mit nur noch wenigen geöffneten Kramläden, Wäschegeschäften und schmut- zigen,
unbeleuchteten Kneipen. Am Tage werden sie von wunderlichen Gestalten bevölkert, die sich schattenhaft
an den Mauern entlang bewegen, doch Nachts offenbart sich das wahre Gewerbe dieses von der Stadtverwaltung als
Seuchen- herd eingestuften Viertels, gegen den sie bis dahin nichts hatte ausrichten können. Hier "hatte die
Prostitution ihr Hauptquartier" aufgeschlagen.
In einem der heruntergekommen Häuser, die häufig von Grisetten bewohnt werden, hat auch die
Torpille eine Wohnung. Die Pförtnerin des Hauses hatte die mitten in der Nacht in Begleitung von Lucien
heimkommende sterbenskranke Grisette bemerkt. Als am Tag darauf eine Droschke mit einem Herrn vorfährt, erkennt
sie in ihm an den Enden einer Soutanenschärpe, die unter seinem langem Mantel hervorlugen, einen Geistlichen.
Der Priester steigt zur Wohnung der Grisette hinauf und klopft, und als kein Laut zu hören ist, bricht er
gewaltsam die Tür auf. Er findet Esther ohnmächtig am Boden, sie hatte versucht, sich mit Gas das Leben
zu nehmen, doch die Menge der Kohle, die sie zu diesem Zweck in einem Becken verbrannt hatte, hatte nicht ausgereicht.