Glanz und Elend der Kurtisanen

    Als die Gäste, denen die schlechte Verfassung des Barons nicht entgangen ist, ihn darauf ansprechen, erzählt er von der Begegnung im Wald von Vincennes und gesteht seine Verliebtheit in die Unbekannte ein. In seinem ungeschliffenen Französisch gibt er eine Beschreibung von ihr, und als es Lucien klar wird, dass es sich um seine Esther handelt, muss er unwillkürlich lächeln. Er erkennt sogleich seinen Fehler, denn dieses Lächeln ist von Anwesenden bemerkt worden, die daraus den Schluss ziehen, dass er sie kennt. Da die Geheimhaltung um seine heimliche Geliebte gefährdet ist, sucht er gleich am nächste Tag Herrera auf. Dessen erste Reaktion auf die Unvorsichtigkeit Luciens ist unerbittlich: da Esther einer Heirat mit Clotilde im Wege steht, müsse er sie loswerden; brutal macht er den Vorschlag, sie zu verkaufen.

    Nach und nach werden Einzelheiten über das kriminelle Vorleben des falschen Priesters enthüllt: Er ist in Wahrheit ein ehemaliger, aus dem Bagno entflohener Sträfling, Collin oder auch Trompe-la-Mort genannt; nach seiner Ergreifung in der Vauquer'schen Pension, wo er Rastignac als Vautrin begegnet war, war ihm erneut die Flucht gelungen; in Spanien hatte er durch die Ermor- dung einer alten Betschwester ein Vermögen ergattert. Nun ist er, nachdem Rastignac seinen Verlockungen widerstanden hatte (siehe: "Vater Goriot"), mit Lucien einen Teufelspakt eingegangen und hat ihn zu seinem Werkzeug gemacht. Auf seinen Vorschlag, das so dringend benötigte Geld – tatsächlich belaufen sich Luciens Schulden auf sechzigtausend Francs – mit einem Mord zu beschaffen, befällt diesen ein Schauder. Herrera sieht nun eine Möglichkeit, die durch die Besessenheit Nucingens von Esther entstandene Situation zu ihrem Vorteil zu wenden; ihm könnte man, seine Vernarrtheit ausnutzend, die Million abluchsen, die Lucien für eine Heirat mit Clotilde de Grandlieu benötigt.
    Er verkehrt im Hause Grandlieu, trinkt Tee und tauscht mit Clotilde Briefchen aus, wurde jedoch noch nie zum Diner geladen, Clotildes Vater hat Vorbehalte gegen Lucien. Sie wird, was ihre Erscheinung betrifft, von Balzac mit äusserst unvorteilhaften Attributen bedacht, sie wird als dürres siebenundzwanzigjähriges Mädchen beschrieben, aufgrund falscher Proportionen besteht sie fast nur aus Beinen; ohne Busen ist sie "flach wie ein Brett", ihre Schlankheit betont sie durch eng anliegende Kleider. Mit ihrem dunklen Teint, den schwarzen Haaren und den glühenden Augen ist sie eine Karikatur ihrer portugiesischen Mutter. Dennoch hat sie ein "gewisses Etwas", auch zeichnet sie sich durch ihre Stimme aus, sie singt herrlich.
    Lucien betrachtet den Salon der Grandlieus als seinen Kampfplatz, für den er seinen Geist und seinen Witz aufspart. Von Clotilde erhält er Hinweise, welche Klippen er umschiffen muss. Das Interesse der Gesellschaft gilt vor allem seinen Familienangelegenheiten, überhaupt ist er erst zugelassen, seit er das Familien- wappen und den Namen de Rubempré zurückerhalten hat. Noch steht aber aus, dass der König ihm den Titel eines Marquis zurückgibt. Was die mögliche Heirat betrifft, so wird diskutiert, woher er wohl die Million bekommen soll, auch ist die Frage zu hören: "Wovon lebt er eigentlich?".