Glanz und Elend der Kurtisanen

    Nachdem Herrera seine Instruktionen an den Leibjäger sowie an die Zofe Europe gegeben hat, die bei dem Täuschungsmanöver die Hauptrollen spielen sollen – ersterer soll weiter regelmässige nächtliche Ausfahrten in die Wälder der Umgebung machen und sich gesprächig über die Eifersucht seines Herrn aus- lassen, der seine Geliebte unbedingt vor aller Welt verstecken möchte, während Europe, die sich nun Eugénie nennt, sich Nucingen gegenüber als bestechlich zeigen soll –, nehmen die Ereignisse, die die beiden Kontrahenten auf demsel- ben Schlachtfeld zusammenführen, auf dem beide, der Priester und Peyrade, als Sieger hervorgehen wollen, ihren Lauf. Beide sind übrigens über die Vorgänge auf der jeweils anderen Seite durch Informanten unterrichtet.
    Schnell haben die Agenten Peyrades die Kutsche mit der vermeintlichen Geliebten Luciens aufgespürt und sind ihr bis zu deren Wohnung gefolgt, so dass der Alte Nucingen darüber Mitteilung machen kann, dass sie sich in der Rue Taitbout befindet. Der liebestolle Baron eilt während der Abwesenheit der Herrin zu der Wohnung und wird von Europe-Eugénie eingelassen, die ihm scheinbar widerstrebend gestattet, die Angebetete im Salon zu erwarten, nachdem es ihr gelungen ist, den Preis auf dreissigtausend Francs hochzutreiben. Als die falsche Esther zurückkehrt und er in ihrem Schlafzimmer nicht die dunkle Schwarz- haarige antrifft, die er im Wald von Vincennes gesehen hatte, sondern die blonde hellhäutige Engländerin, erkennt er, dass er hereingelegt worden ist, und zieht sich betroffen und kleinlaut zurück. Für Lucien bedeuten die dreissigtausend Francs, dass er seine Gläubiger zur Hälfte befriedigen kann.
    Auch Peyrade geht bei der Sache leer aus und muss seine Hoffnung, seiner geliebten Tochter Lydie eine hübsche Mitgift zu verschaffen, begraben. Darüber hinaus muss er noch einen weiteren Schlag einstecken: durch eine von Herrera eingefädelte Intrige, der Lucien, um der Bespitzelung ein Ende zu setzen, dazu drängt, seine gesellschaftlichen Beziehungen zu nutzen und mit einer Beschwer- de bis zu höchsten Stellen vorzudringen, wird der alte Fuchs zum Polizei- präfekten zitiert und wegen des Vorgehens seiner Agenten abgekanzelt, was ihn um zehn Jahre altern lässt.

    Am Ende des ersten Buches gibt Balzac einen Einblick in gewisse schwer zu durchschauende Betrugspraktiken der Pariser Finanzwelt, mit denen man sich mittels fingierter Vermögen, Blankowechseln, Schuldverschreibungen und ge- fälschter Unterschriften grosse Summen für Spekulationen an der Börse ver- schaffen konnte, was einem zahlungsunfähigen Schuldner auch Haft und meh- rere Jahre im Gefängnis einbringen konnte. Eine Transaktion dieser Art führt Herrera in der Verkleidung als rothaariger Engländer mit Hilfe eines windigen Besitzers einer Firma, eine Bank und Kommissionshaus, durch, wobei Esther als Verwalterin eines Teils des Vermögens angegeben wird. Die Folge ist, dass sie vom Handelsgericht verurteilt, ihr Mobiliar gepfändet wird und sie selbst, nach- dem festgestellt wurde, dass sich ihre Schulden auf dreihunderttausend Francs belaufen, in Schuldhaft genommen werden soll.
    Nachdem Herrera Schritte in die Wege geleitet hat, um Esther mit dem Baron zu verkuppeln, nicht bevor er ihm weitere hunderttausend Francs entlockt hat – wobei Asie in der Rolle einer Trödelladen-Besitzerin mit Namen Saint-Estève als gewiefte Vermittlerin auftritt –, macht er den beiden Liebenden klar, weshalb es notwendig ist, dass Esther angesichts der kritischen Lage Luciens dieses Opfer für ihn bringt. Sie müsse wieder die Torpille werden und gleichzeitig zur Rächerin derer, mit deren Geld der Bankier fett geworden ist; und sie habe Erinnerungen an vier Jahre im Paradies, von denen sie zehren könne.