Das zweite Buch beginnt mit einer neuen Runde des Täuschens und Hin- haltens Nucingens, bei dem Asie
als Madame Saint-Estève weiterhin als Ver- mittlerin auftritt, sowie Europe-Eugénie und der
Leibjäger Paccard in verteilten Rollen die Aufgabe haben, ihm so viel Geld als möglich abzuluchsen. Nach
einigem Feilschen wird er gegen die Zahlung von hunderttausend Francs in einer ärmlichen Wohnung mit Esther,
die dort als einfache Arbeiterin an einem Stickrahmen sitzt, zusammengeführt. Herrera, der im Hintergrund die
Zügel in der Hand hält, gibt Eugénie die Anweisung, vom Baron weitere einhundert- tausend Francs zu
verlangen. Als ihm eröffnet wird, dass das zukünftige Domizil Esthers die ihm nicht unbekannte Wohnung
in der Rue Taitbout ist, beginnt er den Schwindel, der mit ihm abgezogen wurde, zu durchschauen.
Die erste Nacht mit seiner Angebeteten verbringt er auf dem Kanapee, nach- dem Esther sich in ihrem Zimmer
eingeschlossen hat. Am Morgen erscheinen die zwei Polizeiagenten, die schon zuvor im Auftrag Peyrades tätig
waren, begleitet von mehreren kräftig gebauten Schergen und verlangen Zutritt zu der Wohnung, mit dem Auftrag
vom Gericht, Esther in Haft zu nehmen. Die Bekanntheit des Barons ermöglicht ihm dabei, die Vollstreckung
abzuwenden, nachdem er die Bürgschaft für sie übernommen und sich zum Aufkauf der Wechsel über
drei- hunderttausend Francs bereit erklärt hat. Sie werden von Carlos, nachdem er in seiner Verkleidung als
Gläubiger die Summe vom Gerichtsvollzieher in Empfang genommen hat, im Kamin verbrannt. Jedoch erregt er bei
der Geldübergabe den Verdacht der Beamten, daher gibt er sich bei seinen Fahrten mit der Droschke grösste
Mühe, mögliche Verfolger abzuschütteln. Mit den von Europe-Eugénie ergaunerten einhunderttausend
kann er Lucien nun vierhunderttausend Francs für den Erwerb des
Grundbesitzes der Rubempré übergeben.
Von Nucingen, einem Elsässer, der auch als ungehobelter Deutscher mit einem ulkigen Akzent beschrieben
wird, heisst es, dass er nun wieder ganz der Alte ist und bei seinen Geschäften gute Gewinne macht; umso
leichter fällt es ihm, sich noch mehr von Carlos und seinen Helferinnen schröpfen zu lassen. Balzac
scheint in seinem Element zu sein, wenn er mit Geldbeträgen, mit Kapital, Renten usw. jongliert oder mit
den Kosten, die von Nucingen übernommen werden müssen: dreissigtausend für Tafelsilber, beim
Pfandleiher zehntausend für Pfandscheine, weitere dreissigtausend beim Silberschmied für Esthers Silber-
zeug, die gleiche Summe für die Schneiderin, weitere fünfundzwanzigtausend für den Juwelier, usw.
Insgesamt kann das Quartett den "alten Geldsack" auf diese Weise um mehr als hundertfünfzigtausend Francs
erleichtern. Von einem ehe- mals reichen Geschäftspartner, der bei Börsenspekulationen viel Geld
verloren hat und Konkurs anmelden musste, kann er ein Haus, das dieser für seine Geliebte eingerichtet
hatte, für fünfzigtausend Francs übernehmen, als ein kleines Palais für Esther, denn "es
passt wie 'n Handschuh".
Esther ist wegen der von Carlos in ihrem Namen abgewickelten dubiosen Finanzgeschäfte, mit denen sie
innerlich nicht einverstanden sein kann, nach- dem sie fünf Jahre lang ein untadeliges Leben geführt
hatte, das ganz ihrer Liebe zu Lucien gewidmet war, in einen tiefen Zwiespalt gestürzt. Durch den
bevor- stehenden Umzug aus der Wohnung, erfüllt mit ihren Erinnerungen, in das kleine Palais als Nucingens
Geliebte fühlt sie sich in die Schande zurückgestossen; sie wird von einer Art seelischer Krankheit
erfasst, von einer Todeskälte; sie sieht sich "in der Gosse enden" – nein, da will sie lieber in die
Seine gehen.