Paris im Oktober des Jahres 1829, das Palais-Royal mit dem gerade neu eingerichteten Spielcasino; im
Spielsaal sitzen um einen der Spieltische herum mehrere dieser von der Spielleidenschaft gezeichneten Männer
mit von der Sucht verwüsteten Gesichtszügen. Ein junger Mann, zum Selbsmord entschlos- sen, betritt den
Saal. Er will vorher noch einmal sein Glück herausfordern. Mit seiner Erscheinung, seiner etwas abgetragenen
Kleidung erregt er das Aufsehen der Anwesenden; er scheint gar nicht in diese Welt der Spielsucht und des Lasters
hineinzupassen. Er setzt alles auf eine Karte, wirft sein letztes Goldstück auf den
Spieltisch und überlässt es dem Zufall, auf was für ein Feld es fällt, es rollt auf Schwarz.
Ein von der Spielleidenschaft besessener Italiener mit oliven- farbenem Teint setzt als einziger gegen ihn,
der junge Mann verliert seinen Ein- satz, und der Italiener rafft gierig den Gewinn an sich. Auf unseren
Selbstmord- kandidaten scheint eine Feststellung Rousseaus zuzutreffen, dass "ein Mann nur
dann zum Spiel geht, wenn er zwischen sich und dem Tod nichts als seinen letzten Taler sieht". Mit der Absicht,
sein Vorhaben jetzt auszuführen, geht er hinaus zur Seine, um sich von einer der Brücken
hinabzstürzen.
Es kam nicht dazu, durch eine Begegnung mit einem alten zerlumpten Weib wurde er er davon abgebracht. Der
Augenblick schien ihm schlecht gewählt, ein Tod am hellichten Tag erschien ihm würdelos, er beschloss,
in der Nacht zu sterben. Doch im Vorbeigehen gefangen von der Erscheinung einer eleganten jungen Frau, die vor dem
Laden eines Kunsthändlers aus einer Equipage stieg, suchte er, hingerissen von der schönen Unbekannten,
mit seinem Blick auch einen von ihr aufzufangen, doch ihr Blick streifte ihn nur flüchtig und teilnahms- los.
Dieser letzte, inbrünstige Hilferuf glitt unverstanden ab, rührte das Herz dieser leichtfertigen Frau
nicht... Es war für ihn wie ein Abschied von der Liebe, von den Frauen!
Der Unbekannte setzte seinen Weg fort, der Anblick des Louvre, der Türme von Notre-Dame, des
Justizpalastes, das alles wirkte bedrohlich auf ihn. In einen allmählichen Schwebezustand versetzt, um sich
dem qualvollen Ansturm zu entziehen, einer Art Trance, in der er seine Umgebung nur noch verschwommen wahrnahm,
erschien ihm ein Antiquitätenladen als geeignete Ablenkung. Mit dem starren Lächeln eines Trunkenen
betrat er den Laden.
Er war Poet, unvermutet fand seine Seele
hier Nahrung in Hülle und Fülle. Auf drei Etagen erstreckten sich Ansammlungen verschiedenartigster Objekte,
in ungeheuren Mengen waren sie in den weitläufigen Räumen angehäuft, von Mumien, Töpferarbeiten
und Ebenholzschnitzereien über ausgestopfte Krokodile, Affen und Riesenschlangen bis zu Kronleuchtern, einer
Monstranz, Meissener Porzellan, einer nackt in Pastell gemalten Madame Dubarry neben einem tür- kischen Tschibuk;
ausser einer Hakenbüchse weitere unterschiedlichste Waffen, Pistolen, Dolche, sowie Rüstungen. Es war eine
Art philosophischen Kehricht- haufens; von einer Friedenspfeife bis zu einem Pantoffel aus dem Serail, von einem
maurischen Krummschwert bis zum Tabaksbeutel eines Soldaten, vom Götzenbild der Tartaren bis zu einem
christlichen Kelch, Räume vollgestopft mit Zeugnissen verschiedener Kulte, mit Meisterwerken, königlichen
Insignien, mit Ausschweifung, Vernunft und Tollheit. Der Anblick so vieler Zeugnisse versun- kener Nationen und
Zeitalter betäubte die Sinne des jungen Mannes, und er glitt in eine Traumwelt ab.