Viertes Kapitel
Henry war noch im Bett, als er diesen Brief las; die Illusionen, die er in Erinnerung rief, erschienen ihm
bereits so weit entfernt, dass sie ihn nicht im geringsten berührten, und die Widrigkeiten, über die
sein Freund klagte, so kindlich, dass er ihn nicht bedauerte. Er lächelte sogar ein wenig mitleidig, seine
Bewunderung für Paris und seine Literatur-Besessenheit zu sehen, die er von einer erhöhten Warte eines
Wissenden aus Erfahrung als zwei für Provinzler typische Krankheiten betrachtete; woraufhin er den Brief
zurück in den Umschlag steckte, ihn auf den Nachttisch legte und auf dem Rücken liegend und die Augen
zur Decke gerichtet fortfuhr, über seine eigenen Illusionen und seine Sorgen angesichts seiner wenig erfreulichen
Lage zu grübeln.
Man wird im folgenden sehen, wie die ersteren sich von Grund auf wandelten und die letzteren nicht weniger
wurden.
Fünftes Kapitel
Die Vorsicht der Grosseltern hatte indessen alle Arten von Misslichkeiten, in die er geraten könnte,
bedacht. Nach vielen Überlegungen, bei denen man bis zum Ursprung menschlicher Gesellschaften
zurückging, wobei alle Erziehungs- systeme durchdiskutiert wurden; nach langem Zögern, nach Erkundigungen,
Vorschlägen und Gegenvorschlägen hatte man den jungen Mann schliesslich in einer besonderen Pension
ad hoc und sui generis untergebracht; ad hoc in dem Sinne,
dass es in diesem Haus nur Familiensöhne wie ihn gab, die in der häuslichen Obhut erzogen wurden, von
einwandfreiem Ruf waren und von ihren Eltern dorthin geschickt wurden, damit sie ihnen erhalten blieben,
gleichzeitig jedoch mit dem Wunsch, sie so schnell wie möglich loszuwerden; sui generis,
denn diese Pension hatte einen guten Ruf, in der es nicht nur Unterweisungen, Rüffel und moralische Belehrungen
gab; man wurde verpflegt, und es wurde geheizt.
Das Etablissement machte einen guten Eindruck. Es war ein grosses Haus in einer abgelegenen Strasse, deren
Namen ich, um es zu halten wie Cervantes, verschweigen werde; es hatte eine grosse grüngestrichene Einfahrt,
mehrere grosse Fenster, die zur Strasse hinausgingen, und wenn sie im Sommer geöffnet waren, sah man im
Vorbeigehen in den Salon mit seinen in weisse Kattun- überzüge eingehüllten Möbeln. Auf der
Rückseite befand sich eine Art Englischer Garten, mit Hügeln und Tälern, mit Wegen, die sich zwischen
Rosenstöcken und Akazienkugeln schlängelten, eine schöne Eberesche, die über die Mauer hinaus-
ragte und die freigebig ihre roten Beeren auf den Boden fallen liess; zudem, weiter hinten – das, worauf als
erstes der Blick fiel, wenn man bei M.Renaud eintrat – eine Gartenlaube aus einem weissen Drahtgeflecht, an
dem sich Jasmin und Klematis hochrankten, sowie eine einfache Bank. Ich vergass ein Wasser- becken, so gross wie
eine Tonne aus der Basse-Normandie, in dem drei rote Fische fast beständig bewegungslos schwammen. Wenn die
Eltern all dies sahen, waren sie entzückt, ihre Kinder würden eine gute Luft einatmen, sie würden
fortan den unterschiedlichsten Bedingungen ausgesetzt sein, und die würden hart sein.