Glanz und Elend der Kurtisanen

    Corentin ordnet an, dass eine Notiz verfasst wird, in der ein Verbrechen nicht ausgeschlossen wird, er werde in Kürze die Schuldigen, die er überwache, um sie auf frischer Tat zu fassen, nennen können. Was Lydie betrifft, so soll sie in eine Nervenheilanstalt gebracht werden: "Die Tochter nach Charenton, der Vater in ein Armengrab." Dann will er sich um Herrera kümmern, der, wie er richtig vermutet, nicht in Spanien ist, sondern in Paris.
    Einige Tage darauf handelt die dahinsiechende Esther mit Madame du Val-Noble einen Plan aus, um sich mit ihrer Hilfe Gift zu verschaffen: da Asie sich weigern würde, ihr etwas zu besorgen, soll sie an ihrer Stelle vorgeben, sich umbringen zu wollen, nachdem ihr Nabob von der Bildfläche verschwunden sei und sie völlig mittellos zurückgelassen habe; sie solle Asie zehntausend Francs für zwei schwarze Perlen aus Glas, die ein sehr schnell wirkendes Gift enthalten, versprechen, sie selbst werde von ihr fünfzigtausend Francs dafür bekommen. Madame du Val-Noble glaubt allerdings nicht, dass es Esther ernst ist, "wer vom Sterben spricht, bringt sich nicht um".

    Esthers Benehmen gegenüber Nucingen hat sich völlig gewandelt; sie überschüttet den alten Mann mit Zärtlichkeiten, spricht zu ihm frei von Bosheiten, nennt ihn "meinen armen Fritz". Der Bankier, ganz entzückt, verspricht ihr drei- ssigtausend Francs Rente in Staatsschuldverschreibungen, die sie anderntags völlig ungerührt entgegennimmt und in die Tasche steckt: "Das hier ist kein Geschenk, das ist eine Wiedergutmachung".
    Sie hatte von Nucingen zwei Windspiele geschenkt bekommen, die sie Romeo und Julia getauft hatte. Sie lässt sich Romeo herbringen und verabreicht ihm das Gift aus einer der Perlen, er fällt fast augenblicklich tot um. Daraufhin beginnt sie mit Vorbereitungen für ihren eigenen Tod: sie kleidet sich ganz in weiss wie eine Braut, legt ein weissseidenes Spitzenkleid an, dazu einen weissen Gürtel und Schuhe aus weisser Seide. Ihr Haar schmückt sie mit weissen Kamelienblüten, und um den Hals legt sie eine Perlenkette im Wert von dreissigtausend Francs, ein Geschenk Nucingens. Sie hält die Tür vor ihm verschlossen und erwartet am Abend Lucien.
    Die Zofe kann ihn unbemerkt zu ihr bringen. Sie kniet vor ihm nieder, als er sie aufheben will, macht sie sich los und sagt, sie sei seiner nicht würdig. Nach einer längeren Pause des Nachdenkens hat er begriffen, dass sie sich töten will. Als er sie drängt, noch zu warten, er habe weitere Anstrengungen gemacht und sei zu Clotilde vorgedrungen, ruft sie zornig aus: "Ach, was wünscht ihr euch für Frauen, ihr Männer?"
    Esther betritt den Salon mit den versammelten Gästen, die bei ihrem Anblick in Bewunderungsrufe ausbrechen. Sie hat keine Rivalin, sie leitet die Orgie, wobei sie vor Geist sprüht. Es wird so ausgiebig getrunken, dass um Mitternacht keiner mehr bei klarem Verstand ist; Gläser werden zerschlagen, und da die Frauen auf den Diwanen eingeschlafen sind, muss auf den Plan, Esther und Nucingen mit dem "Buona Sera" aus dem "Barbier von Sevilla" singend zum Schlafzimmer zu geleiten, verzichtet werden. Einzig Bixiou besitzt die Kraft zu einer Bemerkung, die sich als prophetisch erweisen wird: "Man müsste den Polizeipräfekten benachrichtigen, hier wird ein Bubenstück begangen."